27.03.2025

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Wüst,
sehr geehrte Frau stellvertretende Ministerpräsidentin Neubaur,

wir, ein Zusammenschluss verschiedener kommunaler Netzwerke der Freien Kulturszene in NRW, wenden uns gemeinsam an Sie. Wir sind zutiefst besorgt über die Zukunft der Freien Kultur in unserem Land. Wir fordern die Landesregierung mit Nachdruck auf, sofort tragfähige und konkrete Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.

Wer und was ist die Freie Szene?
Die Freie Kulturszene umfasst spartenübergreifend alle freischaffenden, professionellen Künstler:innen, Kulturschaffende und Einrichtungen in nicht-öffentlicher Trägerschaft. Diese Akteur:innen arbeiten meist abseits größerer Institutionen, bespielen unkonventionelle Orte und zeichnen sich durch eine agile, innovative und kreative Arbeitsweise aus. Gerade in der Fläche sind sie oft die einzigen Akteur:innen, die professionelles Kulturprogramm anbieten, aber auch in den urbanen Räumen sind sie ein nicht wegzudenkender Teil des Gesamtangebots.
Die Förderung dieser Freien Szene ist mittlerweile eine zweite etablierte Säule der öffentlichen Kulturförderung. Neben der Förderung einzelner künstlerischer Projekte gehören mehrjährige Förderungen für Gruppen und Einrichtungen oder die Unterstützung von Festivals und Netzwerken fest zum Portfolio der Landesförderung.

Die Freie Szene ist in Gefahr!
Aktuell sehen wir uns jedoch mit beunruhigenden Entwicklungen konfrontiert, die gravierende Auswirkungen auf die Kulturlandschaft NRWs haben werden. Es gibt eklatante Verzögerungen bei Förderprogrammen, insbesondere dort, wo es um überjährige Förderungen geht. Gerade diese sind aber für die fragil finanzierte Freie Szene von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Noch immer, im März 2025, gibt es keine verlässliche Aussage darüber, ob mehrjährige Förderprogramme wie die Spitzen- und Exzellenzförderung des Landes für die Freien Darstellenden Künste, die regulär bereits im November ausgeschrieben worden sein müsste, erneut aufgelegt werden. Gleichzeitig warten Kulturschaffende seit Monaten vergeblich auf Rückmeldungen zu ihren Anträgen bei anderen Fördermaßnahmen wie der Exportförderung im Bereich der Internationalen Kulturförderung. In beiden Fällen stehen komplexe Planungsketten hinter den Vorhaben – und jede Woche mehr Wartezeit verkompliziert Projektplanungen weiter oder verunmöglicht sie gänzlich. Die internationale Strahlkraft der Kultur in Nordrhein-Westfalen steht damit auf dem Spiel.
In der Filmkultur werden Einrichtungen der Freien Szene durch einjährige Verpflichtungsermächtigungen gefördert, die langfristigere Perspektiven ermöglichen sollen – das sind aber nur Scheinsicherheiten. Statt frühzeitiger Bewilligungen kommen Bescheide oft spät – 2023 gab es erhebliche Verzögerungen für die Förderungen des Jahres 2024 und die Bescheide für 2025 lagen erst im März 2025 vor. Einige warten sogar immer noch auf ihre Bewilligungen.

Die fehlende Planungssicherheit und die verzögerten Bewilligungen stürzen viele in existenzielle Not und können ohne private Rücklagen sogar zu Insolvenzen führen – ein eklatanter Nachteil für die Strukturen der Freien Szene im Vergleich zum institutionalisierten Kultursektor.

Hinzu kommt eine äußerst mangelhafte und intransparente Kommunikation mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft. Diese führt zusätzlich zu erheblichen Unsicherheiten und bindet teils enorme Ressourcen durch den hohen Zeitaufwand für Rückfragen und erneute Antragstellungen. Die aktuelle Situation ist beängstigend genug, steigert sich jedoch mit dem Blick auf die Jahre ab 2026 noch weiter. Denn ab dem 1.1.2026 greift das größte Projekt der nordrhein-westfälischen Kulturpolitik der vergangenen Jahre – die Einführung verbindlicher Honoraruntergrenzen – spartenübergreifend. Dieses zurecht bundesweit beobachtete und gelobte Vorhaben kann aber nur dann gelingen, wenn es entsprechend gegenfinanziert ist. Sonst dreht sich eine gute Idee in ihr Gegenteil um und die Künstler:innen im Land werden in ihrer Existenz bedroht statt gestärkt. Das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, den Kulturhaushalt über die Legislatur um 50 Prozent aufwachsen zu lassen, ist offensichtlich gebrochen, auch wenn dies nie offiziell kommuniziert wurde. Wichtig wäre es nun, für die verbleibenden Jahre der schwarz-grünen Regierung eine neue, verbindliche Zusage zu geben, die die Kulturszene im Lande vor einem Strukturabbau schützt.

Unsere Forderungen zur Sicherung der Freien Szene:
-Frühzeitige Bewilligungen aller Verpflichtungsermächtigungen und Strukturförderungen,
um verbindliche Planungen zu ermöglichen
-Frühzeitige und verbindliche Bewilligungsbescheide für Projektförderungen
-Erhalt und sofortige Ausschreibung mehrjähriger Förderprogramme für Gruppen und Ensembles wie die Spitzen- und Exzellenzförderung, Konzeptionsförderung und Ensembleförderung
-Eine regelmäßige, offene und klare Kommunikation auf Augenhöhe zwischen dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft und den Akteur:innen
-Einbezug der Fach-Verbände in die Umstrukturierung von Förderprogrammen, damit diese sinnvoll und ohne den Verlust von Fördersubstanz geschehen
-Ein Ansatz für den Kulturhaushalt 2026 (und folgende), der die Umsetzung von
überjährigen Programmen und die Umsetzung der Richtlinie zur fairen Bezahlung trägt
-Gesicherte Rahmenbedingungen für die verbleibenden Jahre der Legislatur und ein
finanzielles Versprechen, das eingehalten werden kann.

Diese Forderungen sind für den Erhalt der Freien Kulturszene in NRW essenziell.

Gerade in Zeiten eines erstarkenden rechtsextremen Spektrums in Deutschland ist der Beitrag der Kultur zur Stärkung der Demokratie unverzichtbar. Wir brauchen Räume für Diskurse, kritische Auseinandersetzungen, demokratische Prozesse und kulturelle Bildung. Besonders die Freie Kultur hat das Potenzial, vielfältige Communities zu erreichen und aktiv einzubeziehen. Unsere Gesellschaft kann es sich schlicht nicht leisten, an Kultur zu sparen.

Für ein Gespräch oder weiteren Austausch stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

VdK – Verein für darstellende Künste Köln
Bielefelder Kulturpact e.V.
)) freies netz werk )) KULTUR (Wuppertal)
moNOkultur e.V. – Initiative der Freien Kulturszene MünsterKulturbeirat der Stadt Gelsenkirchen
Forum Freie Kulturszene Dortmund
Neuer Zirkus Ruhr e.V.
KulturNetzKöln e.V.
Freie Kulturszene Bochum
dott – Dortmunder Tanz- und Theaterszene e.V.
IG Tanz Essen
KINOaktiv e.V. (Köln)
Freie Szene Film Dortmund e.V.
Physical Theatre Netzwerk e.V.
Weitere Unterstützer:innen:
NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste e.V.
Netzwerk Filmkultur NRW e.V.
Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren NRW e.V.
Kulturrat NRW e.V.
medienwerk.nrw
HMKV Hartware MedienKunstVerein e.V.
nrw landesbuero tanz e.V.